Der Begriff der „Depression“



Grundsätzlich gehören Gefühle wie Traurigkeit, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit zu den Grunderfahrungen des Menschen. Sie sind Folge von Misserfolg, Verlust oder übermäßiger Belastung.
Von Depression sprechen wir, wenn diese Grunderfahrungen andauern, immer wiederkehren und/oder für die betreffende Person kein erkennbarer Zusammenhang mit bestimmten Auslösern erkennbar ist. Der depressive Zustand zeigt, dass sich etwas Umfassendes ändern muss, wenn das Leben wieder lebenswert sein soll. Sie ist ein Zeichen dafür, dass sich der Organismus in einem „ohnmächtigen“ Zustand angesichts einer ernsthaften Bedrohung befindet.

Obwohl „Die Depression“ zu den Volkskrankheiten schlechthin gezählt wird, sehen wir uns mit gravierenden begrifflichen Unschärfen konfrontiert. Im klinischen Kontext wird die Heterogenität depressiver Patienten evident. Selbstredend sprechen wir von einer multifaktorielle Ätiopathogenese und die Existenz ätiologisch unterscheidbarer depressiver Erkrankungen wird immer noch diskutiert (z.B. endogen – neurotisch). In den letzten Jahren boomte geradezu der Begriff des „Burn-out“ als möglicher Ausweg einer gesellschaftlichen Stigmatisierung.
Die Geschichte des Begriffs der Depression in der Fachliteratur ist ebenfalls geprägt von vielfältigen Bemühungen der klinischen Vielfalt gerecht zu werden. So finden sich an die 40 Attribute der Depression (z.B. ängstliche-, bulimische-, endogene-, larvierte-, maskierte-, katatone Depression).

Auch müssen wir uns heute kritisch mit der gesellschaftlichen Stigmatisierung psychischer Erkrankungen auseinandersetzen. Einerseits gewinnen psychische Störungen an medialer Bedeutung, stoßen aber noch keineswegs auf eine gute Akzeptanz und Anerkennung in der Gesellschaft. Eine Selbstöffnung im sozialen Umfeld wird in der Regel vermieden, eine Offenbarung am Arbeitsplatz erscheint meist ausgeschlossen. Der Blick in die Vergangenheit lässt allerdings nur einen Schluss zu: der Versuch psychische Störungen zu klassifizieren ist tatsächlich ein schwieriges Unterfangen und wird erschwerend durch kulturelle, gesellschaftliche und politische Strömungen geprägt.
 
Soziale Erwünschtheit bzw. Unerwünschtheit werden zu gefährlichen Ratgebern und bergen das Risiko von sozialem Ausschluss in Folge einer Vergabe von psychischen Diagnosen. In kaum einem anderen Gebiet medizinischer Diagnostik ist der Bereich der Unschärfe so groß wie bei den psychischen „Störungen“. Die Frage wo die Normalität endet und wo die Erkrankung beginnt, lässt sich ohnehin nicht alleine von Medizinern beantworten. Hier sind weitere Perspektiven gefragt. Sozialwissenschaftler, Philosophen, Biologen und andere müssten sich kontinuierlich in einen sich annähernden Prozess begeben.
 
Um der Gefahr einer Stigmatisierung zu entfliehen, kommen derzeit viele Menschen sozusagen durch die Hintertüre in psychotherapeutische Behandlung. Unter dem Label „Burnout“ sind nicht selten schwere depressive Störungen maskiert. Burnout als Ausdruck von grundsätzlicher Leistungsbereitschaft und Stärke fungiert hier als soziales Feigenblatt. Angesichts einer Zunahme psychischer Störungen insgesamt können kritische Fragen an die Gesellschaft gerichtet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch ein geändertes Inanspruchnahmeverhalten als mögliche Ursache für die Zunahme psychischer Störungen in Frage kommt. Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass unsere Gesellschaft sich in einem steten Wandel befindet und sich daran ein neues Leistungsprofil anschließt. Die Folgen einiger soziokultureller Entwicklungen sollten an anderer Stelle genauso kritisch beleuchtet werden. Der menschliche Verstand greift aktiv in evolutionäre Prozesse ein und sollte sich dieser universellen Verantwortung bewusst sein. Der menschliche Organismus ist ohne Zweifel in der Lage sich an neue Umgebungsbedingungen anzupassen, diese kann jedoch nicht immer zeitgerecht und vollständig erfolgen.
 
Im Umgang mit der menschlichen Psyche stehen wir vor einem weiteren Problem. Ärztliche und psychologische Leistungen werden nur dann von den Sozialversicherungssystemen übernommen, wenn es sich um die Behandlung einer Krankheit (Störung) handelt. Ein grundsätzlich stimmiger Ansatz, der allerdings für den psychischen Bereich seine Unzulänglichkeiten birgt und ungünstige Entwicklungen nach sich zog. Das derzeit gültige Klassifikationssystem für psychische Störungen, der ICD-10, ist voll von invalidierenden Begrifflichkeiten und gesellschaftlich ausgrenzenden Attributionen. Begriffe wie „Neurotisch, Persönlichkeitsstörung, paranoid, schizoid, narzisstisch, Borderline, histrion“, etc. eignen sich nicht dafür, dass sich Betroffene mit ihrer „Störung“ identifizieren können. In Ausnahmefällen geschieht dies zwar (z.B. Borderline), steht aber dann häufig im Verdacht dysfunktional zu sein.

TREEP möchte einen Beitrag leisten, Vorurteile und Ängste bezüglich psychischer Phänomene abzubauen. Es soll einen wertschätzenden Zugang zu diesen Phänomenen ermöglichen.